1) Es wurde noch nie gemacht. Die meisten Menschen verstehen diese Geschichten nicht, verstehen nicht, weshalb sie an einer Trafik hängen, schliesslich sind es ja keine Neuigkeiten. Auch kann man Träume nicht kontrollieren, was in Zeiten von Hitler, wo alles kontrolliert und vergeneralisiert wurde, eine gewisse Sicherheit in Bezug auf die Individualität der Menschen gibt.
2) Wir denken, dass Otto Trsnjek keines natürlichen Todes starb. Höchst wahrscheinlich wurde er von den Verbündeten Hitlers aufgrund von Trsnjeks Anti-Nazi-Massnahmen umgebracht. Franz hat ja auch nichts von Otttos Beerdigung mitgekriegt. Möglicherweise wurde er einfach verbrannt oder er lebt noch, aber in Gefangenschaft der Nazis.
Zur Frage 2: »[…] wer Trafikanten erschlägt« Diese Textstelle macht deutlich, dass Otto Trsnjek von der Gestapo (181) ermordet wurde. Solche Morde sind tausendfach geschehen, sie wurden nach außen kaschiert. Dasselbe gilt übrigens für Morde in den KZs und den psychiatrischen Kliniken.
Zu Frage 1: schöne Antwort von Paula, noch nicht ganz eindeutig formuliert. Auf S. 179 Z.12-15 wird beschrieben, dass sich manche anregen ließen und darüber »nachdenklich« wurden. Das Rätselhafte an Träumen lässt sich nicht einfach auflösen, aber die poetischen Traumzettel stehen in schönem Kontrast zu den einseitigen Schlagzeilen der vereinheitlichten und von der Regierung kontrollierten Presse.
Ich würde übrigens Ihre Formulierung »Anti-Nazi-Maßnahmen« ersetzen resp. streichen, weil das etwas Falsches suggeriert: Trsnjek verkauft zeitschriften, darunter auch solche, die von den Nazis nicht toleriert weden, ob aus politischen oder moralischen Gründen, das sei dahingestellt. Aber der Verkauf von Zeitschriften ist zum einen keine ›Maßnahme‹, zum andern tut Trsnjek das nicht aus Protest gegen die Nazis, sondern weil wegen der Nachfrage. Ganz grundsätzlich sind die Zeitschriften auch nicht der grund, wieso die Gestapo Trsnjek verhaftet und tötet, sondern weil er offensichtlich mit ihrer ideologie nichts am Hut hat und daraus auch öffentlich keinen Hehl macht. Dafür gibt es mehr als ein Beispiel im Roman.
1) Die Traumgeschichten wirken auf die Menschen ganz unterschiedlich, einige befassen sich nur kurz damit und andere möchten das Gelesene verstehen und sich damit auseinandersetzen, teilweise suchen sie sogar das Gespräch mit Franz, der die Geschichten geträumt hat. Im Traum werden Gefühle, Ängste und Sorgen miteinander vermischt und manchmal auf ganz komische Weise wiedergegeben. Der Traum, in dem ein Mann von der Votivkirche runterspringt und stirbt und es niemand bemerkt (S.179), finde ich sehr interessant. Wenn man diesen Traum nicht selbst geträumt hat kann man als Leser in die Geschichte ziemlich viel hinein interpretieren. Eine mögliche Interpretation: Etwas Schlimmes passiert oder ist im Gang und niemand schaut hin bzw. niemand sieht es. Das trifft genau den Zeitgeist, die Nazis treiben ihr Unwesen und niemand will hinschauen und teilweise sind die Menschen auch geblendet.
Schlussendlich möchte ich damit sagen, dass diese Traumgeschichten die Menschen zum Denken anregen. Die Gedankengänge die durch diese Geschichten angestossen werden sind im Gegensatz zu den Gedankengängen die in Zeitungen angeregt werden nicht schon im Voraus in eine Richtung gelenkt. Und so sind durch die Traumgeschichten angestossenen Gedanken nicht immer mit dem Gedankengut der Nazis in Vereinbarung zu bringen. Doch das Tolle an der Sache für mich ist, dass Franz ganz unbewusst einen Weg gefunden hat Gedankengänge anzustossen, die man sonst nach Verordnung der Nazis nicht anstossen dürfte.
Eine sehr schöne, differenzierte Antwort :) Sie versuchen etwas recht Schwieriges zu formulieren: Träume sind etwas sehr Wirres und Individuelles. Sich damit auseinanderzusetzen bedeutet, sich mit sich der eigenen Verfassung, mit sich selbst zu beschäftigen und nicht mit der Außenwelt. Diese Verinnerlichung hat auch etwas Intellektuelles. Das läuft dem politischen Zeitgeist der extremen Parteien der damaligen Zeit zuwider: Die politischen Unruhen dieser Jahre vor und während Hitler sind von der Suche nach Weltanschauungen, nach klaren Haltungen und Grenzen geprägt. Krieg lag in der Luft, und wenn es um Krieg geht, geht es um Dinge wie Vaterland, Patriotismus, Verteidigung, Freund und Feind etc., also alles Themen, die nichts mit dem Individuum zu tun haben, sondern mit dem Außen. Und es gibt immer ein klares Wir und "die anderen". Und man muss in solchen Zeiten immer schön aufpassen, auf der richtigen Seite zu stehen, um sich nicht in Gefahr zu bringen. Träume hingegen sind etwas extrem Unpolitisches. Jetzt könnte man noch hinzufügen, dass in Franz' Träumen auch politische Zustände eine Rolle spielen. Das macht die Sache mit dem Veröffentlichen von seinen Träumen noch brisanter: es könnte die Betrachter dazu animieren, sich kritische Gedanken zur herrschenden Politik zu machen. Doch wenn die Nationalsozialisten ein Feindbild hatten (nebst den Juden, Schwulen und Andersdenkenden), dann war es das des Intellektuellen.
1) Es wurde noch nie gemacht. Die meisten Menschen verstehen diese Geschichten nicht, verstehen nicht, weshalb sie an einer Trafik hängen, schliesslich sind es ja keine Neuigkeiten.
AntwortenLöschenAuch kann man Träume nicht kontrollieren, was in Zeiten von Hitler, wo alles kontrolliert und vergeneralisiert wurde, eine gewisse Sicherheit in Bezug auf die Individualität der Menschen gibt.
2) Wir denken, dass Otto Trsnjek keines natürlichen Todes starb. Höchst wahrscheinlich wurde er von den Verbündeten Hitlers aufgrund von Trsnjeks Anti-Nazi-Massnahmen umgebracht. Franz hat ja auch nichts von Otttos Beerdigung mitgekriegt. Möglicherweise wurde er einfach verbrannt oder er lebt noch, aber in Gefangenschaft der Nazis.
Anja & Paula
Zur Frage 2: »[…] wer Trafikanten erschlägt« Diese Textstelle macht deutlich, dass Otto Trsnjek von der Gestapo (181) ermordet wurde. Solche Morde sind tausendfach geschehen, sie wurden nach außen kaschiert. Dasselbe gilt übrigens für Morde in den KZs und den psychiatrischen Kliniken.
LöschenZu Frage 1: schöne Antwort von Paula, noch nicht ganz eindeutig formuliert. Auf S. 179 Z.12-15 wird beschrieben, dass sich manche anregen ließen und darüber »nachdenklich« wurden. Das Rätselhafte an Träumen lässt sich nicht einfach auflösen, aber die poetischen Traumzettel stehen in schönem Kontrast zu den einseitigen Schlagzeilen der vereinheitlichten und von der Regierung kontrollierten Presse.
LöschenDas Zitat »[…[ wer Trafikanten erschlägt« befindet sich ganz unten auf S. 201.
LöschenIch würde übrigens Ihre Formulierung »Anti-Nazi-Maßnahmen« ersetzen resp. streichen, weil das etwas Falsches suggeriert: Trsnjek verkauft zeitschriften, darunter auch solche, die von den Nazis nicht toleriert weden, ob aus politischen oder moralischen Gründen, das sei dahingestellt. Aber der Verkauf von Zeitschriften ist zum einen keine ›Maßnahme‹, zum andern tut Trsnjek das nicht aus Protest gegen die Nazis, sondern weil wegen der Nachfrage. Ganz grundsätzlich sind die Zeitschriften auch nicht der grund, wieso die Gestapo Trsnjek verhaftet und tötet, sondern weil er offensichtlich mit ihrer ideologie nichts am Hut hat und daraus auch öffentlich keinen Hehl macht. Dafür gibt es mehr als ein Beispiel im Roman.
Löschen1) Die Traumgeschichten wirken auf die Menschen ganz unterschiedlich, einige befassen sich nur kurz damit und andere möchten das Gelesene verstehen und sich damit auseinandersetzen, teilweise suchen sie sogar das Gespräch mit Franz, der die Geschichten geträumt hat.
AntwortenLöschenIm Traum werden Gefühle, Ängste und Sorgen miteinander vermischt und manchmal auf ganz komische Weise wiedergegeben.
Der Traum, in dem ein Mann von der Votivkirche runterspringt und stirbt und es niemand bemerkt (S.179), finde ich sehr interessant.
Wenn man diesen Traum nicht selbst geträumt hat kann man als Leser in die Geschichte ziemlich viel hinein interpretieren.
Eine mögliche Interpretation:
Etwas Schlimmes passiert oder ist im Gang und niemand schaut hin bzw. niemand sieht es. Das trifft genau den Zeitgeist, die Nazis treiben ihr Unwesen und niemand will hinschauen und teilweise sind die Menschen auch geblendet.
Schlussendlich möchte ich damit sagen, dass diese Traumgeschichten die Menschen zum Denken anregen. Die Gedankengänge die durch diese Geschichten angestossen werden sind im Gegensatz zu den Gedankengängen die in Zeitungen angeregt werden nicht schon im Voraus in eine Richtung gelenkt. Und so sind durch die Traumgeschichten angestossenen Gedanken nicht immer mit dem Gedankengut der Nazis in Vereinbarung zu bringen.
Doch das Tolle an der Sache für mich ist, dass Franz ganz unbewusst einen Weg gefunden hat Gedankengänge anzustossen, die man sonst nach Verordnung der Nazis nicht anstossen dürfte.
Eine sehr schöne, differenzierte Antwort :) Sie versuchen etwas recht Schwieriges zu formulieren: Träume sind etwas sehr Wirres und Individuelles. Sich damit auseinanderzusetzen bedeutet, sich mit sich der eigenen Verfassung, mit sich selbst zu beschäftigen und nicht mit der Außenwelt. Diese Verinnerlichung hat auch etwas Intellektuelles. Das läuft dem politischen Zeitgeist der extremen Parteien der damaligen Zeit zuwider: Die politischen Unruhen dieser Jahre vor und während Hitler sind von der Suche nach Weltanschauungen, nach klaren Haltungen und Grenzen geprägt. Krieg lag in der Luft, und wenn es um Krieg geht, geht es um Dinge wie Vaterland, Patriotismus, Verteidigung, Freund und Feind etc., also alles Themen, die nichts mit dem Individuum zu tun haben, sondern mit dem Außen. Und es gibt immer ein klares Wir und "die anderen". Und man muss in solchen Zeiten immer schön aufpassen, auf der richtigen Seite zu stehen, um sich nicht in Gefahr zu bringen.
LöschenTräume hingegen sind etwas extrem Unpolitisches. Jetzt könnte man noch hinzufügen, dass in Franz' Träumen auch politische Zustände eine Rolle spielen. Das macht die Sache mit dem Veröffentlichen von seinen Träumen noch brisanter: es könnte die Betrachter dazu animieren, sich kritische Gedanken zur herrschenden Politik zu machen. Doch wenn die Nationalsozialisten ein Feindbild hatten (nebst den Juden, Schwulen und Andersdenkenden), dann war es das des Intellektuellen.