Mittwoch, 11. November 2015

Tagebuch- Das Zwillingsgelübde

Niederlage! Noch eine Niederlage; eine weitere Desillusion. Das irritierte mich zutiefst. Ob die Schuld bei mir liegt oder bei Johann, weiss ich nicht genau. Voller Resignation bückte ich mich sogar über den Zaun der Brücke und kam auf absurde Gedanken. In einem Moment konnte ich mir vorstellen Suizid zu begehen. Es kam zu einer Kollision der Emotionen und Fakten in meinem Herz und meinem Kopf. Ich wusste, er würde nie das gleiche für mich empfinden. Ich wusste, Johann würde mich nie auf die Art lieben wie ich ihn. Doch er war immer da! Ich entschied mich unsere heutige Niederlage auszunutzen und ihn zu manipulieren um uns für immer aneinander zu binden. Ich redete ihm ein, wir hätten verloren, weil wir keine starke Bindung hätten. Wir waren von Zwillingen besiegt worden: so kam ich auf die Idee der Brüderschaft. Brüder bleiben für immer Brüder, egal was passiert. Mit solch einer Beziehung werde ich mit ihm für immer verknüpft sein. Das beruhigt mich. Ich schaffte es, ihn davon zu überzeugen, mir alles zu erzählen, möglichst viel Zeit mit mir zu verbringen und sogar die gleichen Kleider wie ich zu tragen. Die Kleider würden mir immer das Gefühl geben, er wäre bei mir (den Eindruck seiner Präsenz geben). Er wirkte sehr glücklich darüber.
Das kann man egoistisch nennen, doch es entspricht meinen Bedürfnissen (≠ ich nenne es Bedürfnis). Ich brauche Johanns Nähe und mir ist jedes Mittel recht (ich werde die Mittel nicht wählen) um ihn auf irgendeine Art nur für mich zu gewinnen.

1 Kommentar:

  1. Wow, ganz schön unheimlich, ihr Monolog von Ludwig. Er wirkt darin regelrecht besessen von der Idee, Johann an sich zu binden. Die Andeutungen in der Novelle lassen so eine krasse Lesart aber durchaus zu. Ich habe mir erlaubt, einige falsche oder umständliche Stellen blau zu korrigieren. Für das sind solche Einträge ja auch da :)

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